Kriminal- und Unfallstatistik
Wie notwendig und wichtig der professionelle polizeiliche Opferschutz ist, zeigt ein Blick in die Kriminal- und Unfallstatistik. Alleine bei den qualifizierten Opferdelikten (Straftaten gegen das Leben, gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit) gab es im Jahr 2022 in NRW 293.103 Opfer. Erweitert man den Kreis der Delikte etwa auf den Wohnungseinbruchdiebstahl, so sind es in der Summe etwa eine Million Geschädigte, mit denen die nordrhein-westfälische Polizei pro Jahr Kontakt hat – und dies bei einem Kriminalitätsaufkommen von insgesamt etwa 1,37 Millionen erfassten Delikten. Bei Verkehrsunfällen weist die Statistik des Jahres 2022 für NRW 451 Verkehrstote und 12.514 Schwerverletzte als Anlass für eine Betreuung von Opfern und deren Angehörigen aus.
Opferschutz hat sich verändert
Lange fand die Situation der Opfer gesellschaftlich wenig Beachtung und auch ein professioneller und fürsorglicher polizeilicher Umgang war nicht die Regel. Opfer waren häufig lediglich wichtige Zeugen oder Spurenträger.
Doch in den letzten Jahrzehnten gab es erhebliche und erfolgreiche Anstrengungen für eine bessere Stellung der Opfer innerhalb und außerhalb eines Strafverfahrens. Besonders das Dritte Opferrechtsreformgesetz führte ab 2012 zu deutlichen Veränderungen. Dazu zählen die Erweiterung der Nebenklage, die Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung oder der Anspruch auf Verständigung und Übersetzung bei Anzeigenerstattung und Vernehmung.
Partnerinstitutionen finden
Ein Meilenstein für eine Verbesserung von Opferschutz und Opferhilfe war die Gründung der Opferschutzorganisation »Weisser Ring« im Jahr 1976. Zwischen ihm und dem nordrhein-westfälischen Innen- und Justizministerium wurden feste Kooperationsverträge zur Verbesserung der Situation der Opfer abgeschlossen. Daneben arbeiten in Netzwerken der Opferhilfe Vertreterinnen und Vertreter der Landschaftsverbände, von Traumazentren, der Justiz, von Beratungsstellen, der psychosozialen Prozessbegleitung und von sozialen Diensten auf örtlicher und regionaler Ebene eng mit der Polizei zusammen. Zur Vermittlung passender Hilfsangebote bedient sich die Polizei seit fast zwanzig Jahren einer Opferhilfedatenbank. Darin werden alle Hilfeeinrichtungen recherchierbar eingepflegt. Für NRW sind dort mehr als 1.600 Hilfeeinrichtungen aufrufbar.
Die Vorbehalte der Opfer
Trotz aller Verbesserungen erstatten Opfer in vielen Fällen keine Anzeige. Das gilt insbesondere für Vorkommnisse im familiären Umfeld, dem Freundeskreis oder am Arbeitsplatz. Sie tun dies oft aus Scham oder aus Angst vor persönlichen Konsequenzen. Auch Schuldgefühle spielen dabei eine Rolle.
Zur fehlenden Akzeptanz einer Anzeigenerstattung tragen aber auch negative Erfahrungen von Opfern bei, wie etwa
- fehlende Sensibilität von Polizei und Justiz,
- unbedachte Äußerungen, die zu Schuldgefühlen führen,
- eine kahle und unfreundliche Wartezone in Dienstgebäuden,
- fehlende Anwesenheit einer Person gleichen Geschlechts bei Anzeigenaufnahme oder Vernehmung, obwohl das vom Opfer gewünscht wird,
- die Begegnung mit dem Täter in Dienstgebäuden etc.
Trotzdem führen in der Regel nur eine Strafanzeige und die sich anschließenden Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass die Taten ein Ende haben, dass das Opfer erfährt, welche Umstände zur Tat geführt haben und welche Motive der oder die Täter hatten.
Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann nach der Verunsicherung wieder ein Gefühl von Sicherheit und Gerechtigkeit erwachsen.
Filmclips zu den Anforderungen im Opferschutz
Damit Opfer und insbesondere Polizeibedienstete besser informiert sind, hat die Bund-Länder-Projektgruppe »Polizeilicher Opferschutz« der Kommission »Polizeiliche Kriminalprävention« das Thema für Straftatenopfer und Polizei neu aufbereitet. Das Landeskriminalamt NRW stellt im Projekt die Leitung und Geschäftsführung. Das »Merkblatt für Opfer einer Straftat« (AVR 32) wird an jedes Opfer ausgehändigt. Es fasst Basisinformationen kompakt zusammen.
Die Arbeitsgruppe entwickelte außerdem Film-Clips zu den wichtigsten Anforderungen im Opferschutz wie beispielsweise:
- Opfer werden – fünf Fallbeispiele,
- Die ersten Schritte,
- Ermittlungen und Strafprozess,
- Opferrechte,
- Erweiterte Opferrechte,
- Warum eine Anzeige erstatten?
Die Videos können gemeinsam mit den Opfern angesehen oder zur vertiefenden Information empfohlen werden. Sie sind zwischen zwei und vier Minuten lang und einzeln oder als zusammenhängender Film mit dem Titel »Opfern helfen –aber wie?«, abrufbar.
Online-Service für Verkehrsunfallopfer mit psychischen Folgen unter https://hilfefinder.de.
Der Runderlass »Polizeilicher Opferschutz«
Mit dem Ende April 2019 in Kraft getretenen Runderlass des Ministeriums des Innern werden die wesentlichen Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Landesarbeitsgruppe »Kriminalprävention und Opferschutz« und die gesetzlich normierten Mindeststandards aus der Strafprozessordnung und der EU-Richtlinie über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten in Form einer verbindlichen Festlegung der Aufgaben des polizeilichen Opferschutzes umgesetzt. Neben klar definierten Begriffsbestimmungen für Opfer, Opferschutz, Opferhilfe, Opfernachsorge und Polizeilichen Opferschutz werden die polizeilichen Aufgaben im Opferschutz im Erlass anhand der Phasen eines Ermittlungsverfahrens dargestellt, orientiert am Erstkontakt (meist die Einsatzbewältigung bzw. die Anzeigenerstattung), an der Sachbearbeitung und dem Fallabschluss.
Die Funktion der Opferschutzbeauftragten
In jeder Kreispolizeibehörde gibt es namentlich benannte Opferschutzbeauftragte. Sie
- sind polizeiliche Ansprechpartner nach innen und außen,
- geben die Leitlinien und Standards des polizeilichen Opferschutzes bekannt,
- unterstützen die Opferbetreuung in herausragenden Fällen und in besonderen polizeilichen Einsatzlagen,
- administrieren örtliche Einträge in der zentralen »Datenbank Opferhilfe«,
- wirken an der behördlichen Fortbildung zum Opferschutz und zur Opferhilfe mit,
- wirken in regionalen Gremien, Netzwerken, Arbeitskreisen und Besprechungen mit,
- erstellen behördenspezifische Informationen und Medien.